Die Arzthaftung ist ein Rechtsgebiet, das sich spätestens seit der Kodifikation des Behandlungsvertrages in den §§ 630a ff. BGB einerseits auf akademischer Ebene gut dazu eignet zu prüfen, ob und wie mit spezielleren Fragen des Vertragsrecht auf einer bekannten Grundlage umgegangen werden kann; andererseits sind die Fälle der Praxis immer Fälle mit großer Wirkung für den Betroffenen. Es geht um Schmerzen, bleibenden Einschränkungen der Lebensqualität, Verlust von Arbeitskraft und deshalb – nicht zuletzt – um viel Geld.
An dieser Stelle kann es bei diesem komplexen und stark von Rechtsprechung geprägten Rechtsgebiet nur um eine Einführung der wichtigsten Grundbegriffe gehen.
Grundsätze und Anknüpfungspunkte der Prüfung
Im Rahmen der Arzthaftung spielen vor allem der § 280 Abs. 1 BGB und der § 823 Abs. 1 BGB eine Rolle. Ausgehend von diesen „Standardanspruchsgrundlagen“ sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten:
- Die vertragliche und die deliktische Haftung laufen grundsätzlich gleich. Unterschiedlich sind allerdings die jeweiligen Anspruchsgegner.
- die Beweislast obliegt nicht immer dem Anspruchsteller.
- Ärzte unterliegen typisierten Pflichten hinsichtlich ihrer Aufklärung, Diagnostik und Behandlung
- Erst die Einwilligung des Patienten rechtfertigt den Eingriff in die körperliche Unversehrtheit durch den Arzt. Entsprechend wichtig ist die Aufklärungspflicht und die Einwilligung des Patienten im Rahmen eines „informed consent“
Der Aufklärungsfehler
Chronologisch an erster Stelle und können Aufklärungsfehler des Arztes stehen. Ziel der Aufklärung ist es, den Patienten in die Lage zu versetzen eine informierte Entscheidung über sein Einverständnis in die Körperverletzung der ärztlichen Behandlung zu fällen und so sein Selbstbestimmungsrecht zu wahren. Entscheidend ist dabei letztlich das tatsächlich geführte Gespräch.
In diesem Zusammenhang ist es meiner Meinung nach bezeichnend, dass Förster im Beck’schen Online Kommentar ausführt, dass
das Erfordernis zur Aufklärung des Patienten nicht Ausdruck von Misstrauen des Patienten sei, sondern gerade Voraussetzung für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient.
Förster in BeckOK BGB § 823 Rn. 838, 57. Edition, Stand: 01.02.2021
Und in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu lesen ist, die Aufklärungsaufgabe der Ärzte könne nur erfüllt werden, wenn der Patient ernst genommen werde (BVerfG NJW 1990, 2929 (2931)). Wie muss es um das ärztliche Selbstverständnis stehen, wenn so eine Aussage in einem Gerichtsprozess überhaupt notwendig wird?
Das Spannungsfeld in dem sich die Fragen von Arzthaftung bewegen, wird damit jedenfalls deutlich.
Die Behandlungsfehler
Behandlungsfehler können sich von der Aufklärung völlig unabhängig auf allen Ebenen der ärztlichen Behandlung ergeben. Der anzulegende Maßstab für eine Pflichtverletzung ist dabei objektiv und gruppenbezogen (siehe oben).
Im Gerichtsprozess wird für die Frage, ob eine bestimmte Tätigkeit dem Facharztstandard entsprach oder nicht, regelmäßig Sachverständigengutachten hinzugezogen. Das macht Arzthaftungssachen regelmäßig sowohl auf tatsächlicher als auch auf rechtlicher Ebene komplex. Nicht ohne Grund finden die Prozesse normalerweise bereits in erster Instanz am Landgericht vor einer (spezialisierten) Kammer statt.
Probleme der Beweislast
Weil nun der Patient immer in einer schwierigen Beweisposition ist, ist unter anderem eine Beweislastumkehr im Falle von groben Behandlungsfehlern im § 630h Abs. 5 BGB kodifiziert worden. Diese gilt auch im Deliktsrecht.
Im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität ist nur der Maßstab des § 287 ZPO für die Überzeugung des Gerichtes anzulegen. Die Beweislast hierfür bleibt jedoch beim Patienten
Weiterführende Aufsätze
- Deuring, Arzthaftungsrecht Teil 1 in JuS 2020, 489 ff.
- Deuring, Arzthaftungsrecht, Teil 2, in JuS 2020, 637 ff.
- Ziegler/Oynar, Der Beginn der Verjährung im Arzthaftungsrecht, NJW 2017, 2438